Endlich ist es soweit und ich darf einen Abend lang in die feenhafte Zauberwelt von William Shakespeare eintauchen. Titania wird sich Hals über Kopf in einen Esel verlieben, Puck wird die Liebenden mit seiner Zauberblume in den Wahnsinn treiben und die Handwerker werden ihr fabelhaftes Theaterstück zum Besten geben. Natürlich ist hier die Rede von der berühmten Komödie “Ein Sommernachtstraum”, die vermutlich 1595 geschrieben wurde. Das Stück spielt im antiken Athen und im angrenzenden Zauberwald. Es umfasst eine Zeitspanne von drei Tagen und Nächten und erzählt von der Hochzeit eines Herrscherpaares.
Dieser Klassiker von Williams Shakespeare ist das meist aufgeführte Theaterstück an englischsprachigen Schulen. Auch wir führten dieses Stück an meinem Gymnasium auf und ich erhielt eine Rolle als Elfe, die keinerlei Text beinhaltete. Dafür war ich damals unendlich dankbar, denn als pubertierender Teenager hätte ich mich eh am liebsten ganztags vor der Welt versteckt. Dennoch ist die Liebe zu diesem Stück geblieben und ich habe seitdem viele Inszenierungen gesehen.
In dem Stück sind vier Handlungen miteinander verflochten: die Herrscherhochzeit, die aristokratischen Liebeswirren, die Intrigen der Feenwelt und das „Stück im Stück“ der Handwerker. Die Rahmenhandlung bildet die Hochzeitsvorbereitung von Theseus und Hippolyta am Hof von Athen. Damit verbunden sind die Erlebnisse der Handwerker, die für die Feierlichkeit des Fürsten im angrenzenden Wald von Athen ein Theaterstück proben. Gleich zu Beginn wird der Konflikt um die Heirat zweier aristokratischer Paare eingeführt. Im Wald von Athen treffen die beiden Paare und die Handwerker auf Feen und Elfen und werden in die Auswirkungen eines Ehestreites des Elfenpaares Oberon und Titania hineingezogen.
An der Inszenierung des Balletts hat mich besonders interessiert, wie es gelingt das Theaterstück der Handwerker umzusetzen. Im Original ist dieser Teil ein sehr lustiger Höhepunkt und die Dialoge bringen die Zuschauer zum Lachen. Nachdem beim Ballett natürlich das Sprachmedium fehlt, ist diese Heiterkeit schwer darzustellen. Doch dies ist in der Inszenierung perfekt gelungen. Einer der Handwerker spielt die Liebende und stolpert tänzelnd in Spitzenschuhen durch die Szene. Eine alte Drehorgel kündigt jedesmal die Handwerker an und dahinter folgt der Strom der tölpelhaften Handwerker, die sich schubsend einen Weg auf die Bühne bahnen.
John Neumeiers Werk beeindruckt durch seine choreographische Vielfalt und Ausdruckskraft. Felix Mendelssohn Bartholdys Sommernachtstraum als Klangbild der Menschenwelt, die sirenenhaften elektronischen Orgelklänge zur Kennzeichnung der Feenwelt und für die Handwerker-Szenen eine Drehorgel. Besonders die an den Nerven zerrende elektronische Musik lässt den Zuschauer vor Spannung innehalten. Keine andere Musik hätte die mythische Elfenwelt besser beschreiben können, es ist ein Klang aus einer anderen Welt. Dazu flirren und zittern die Bäume des Elfenwaldes im Rhythmus und die Szenerie zaubert ein einzigartiges Bühnenbild.
Besonders gelungen finde ich das Ende des Stücks, in dem der Elfenkönig Oberon und die Elfenkönigin sich wieder im Wald treffen und zu einem Liebespaar werden. Somit bleibt natürlich die Frage offen, ob alles nur ein Traum war oder vielleicht doch der Wirklichkeit entsprach.
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