Meine Gedanken
Seit Wochen ist die Welt im Wandel und unser Leben steht auf dem Kopf. Genauso steht meine Arbeit als Flugbegleiterin still und dieser Zustand wird wohl noch weitere Wochen, wenn nicht sogar Monate andauern. Die Luftfahrtbranche kommt fast vollständig zum Erliegen und mit ihr etliche andere Wirtschaftszweige.
Ich mache mir Gedanke über die weltweite Rezession und die damit einhergehenden Ängste und Sorgen der Menschen. Hier in Deutschland haben wir ein soziales Netzwerk und ein Gesundheitssystem, das die Menschen auffängt. Dennoch wird unser Land nicht ohne Schäden aus dieser Krise heraustreten.
Was ist mit den Kindern und Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind? Die Schulen und Kindergärten bleiben vorerst geschlossen. Niemand hat ein Auge auf das Leben der Schutzlosen, die hinter verschlossenen Türen bleiben. Was ist mit den Menschen, die schwer krank sind und aus Angst vor dem Virus viel zu spät einen Arzt aufsuchen? Was ist mit den Pflegebedürftigen aus den Altenheimen, die seit Wochen keinen Besuch empfangen dürfen?
Indien
Ich denke an die eine Million Menschen aus dem Slum in Dharavi in Mumbai, Indien. Sie wohnen auf zwei Quadratkilometern auf engstem Raum. Mehr als 200 Menschen haben sich hier bereits mit dem Coronavirus angesteckt. Die Angst ist groß, dass sich der Virus schnell ausbreitet. Die Slums wurden komplett abgeriegelt.
Nun möchte die Regierung ein Malaria Medikament an 100.000 Slum Bewohnern testen. Jedoch gibt es keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür, dass dieses Medikament sinnvoll ist. In einer amerikanischen Studie wurde sogar das Gegenteil bewiesen. Zudem gibt es für die Menschen dort keinerlei Lebensgrundlage mehr, da sie nicht mehr arbeiten können. Es gibt nicht einmal mehr Holz, um den Ofen anzuheizen.
Menschen aus Kriegszonen
In Regionen mit mangelnden hygienischen Bedingungen und hoher Siedlungsdichte breitet sich das Virus viel schneller aus. Akut gefährdet sind besonders die Menschen aus Flüchtlingslagern und Kriegsgebieten.
Afrika
Ich denke an die große Hungerkatastrophe in Afrika, die sich nun verstärken wird. Dadurch dass Europa und die gesamte Welt mit sich selbst beschäftigt ist, werden sicherlich nicht alle Programme in der selben Weise fortgeführt werden wie bisher. Genauso werden beispielsweise die Masern Impfprogramme für Kinder in Afrika ausgesetzt. Die Folgeschäden werden gewaltig sein.
Amerika
Natürlich denke ich auch an die Menschen in Amerika, deren Präsident ernsthaft empfiehlt, dass die Mediziner darüber nachdenken sollten, Infektionsmittel zu spritzen. Alternativ soll UV-Licht in den Körper eingebracht werden, damit das Licht dem Virus schadet. Ein Präsident, der solche Maßnahmen empfiehlt gefährdet das Leben seiner Bürger und lässt mich einfach nur kopfschüttelnd auf die Zukunft Amerikas blicken.
Ich denke an die vielen Menschen in Amerika, die keine Krankenversicherung haben. In diesem Fall wage ich zu bezweifeln, dass sie aufgrund der Überlastung des Gesundheitssystems zeitnah medizinisch betreut werden.
Informationsflut
Mittlerweile gibt es so viele “Experten” auf dem Gebiet des Corona Virus, dass zumindest ich nicht mehr weiß, welchem Virologen, Arzt oder Politiker man Glauben schenken soll. Tatsache ist, dass die Experten selbst keine eindeutigen Aussagen treffen können, da der Virus komplett neu ist und die Forschung erst am Anfang steht.
Man kann also keine Aussage darüber treffen, ob der Sonderweg der Schweden richtig oder falsch war. Erst im Nachgang werden wir erfahren, welche Maßnahmen die richtigen waren. Fest steht mit Sicherheit, dass die Fallzahlen aus verschiedenen Ländern unterschiedlich erhoben werden und somit kaum vergleichbar sind. Zudem geht man davon aus, dass die Dunkelziffer der Infizierten deutlich höher liegt und somit die erhobene Statistik zur Letalität nicht sehr aussagekräftig ist.
Hoffnung für unsere Welt
Egal wo die Wahrheit liegt, man möchte die Welt umarmen und sie heilen. Wenn ich mir heute den Globus unserer Kinder ansehe, möchte ich ihn am liebsten in meinen Armen wiegen. Ich möchte Fieber messen, ein Pflaster aufkleben und ganz viel Liebe spenden. Ich denke an all die Menschen und Länder, die ich durch meinen Beruf als Flugbegleiterin bereisen durfte.
Ich denke an die Kinder in Indien, deren Lachen so strahlend ist trotz der großen Armut, in der sie zum Teil leben. Ich denke an das “Kopfwackeln” unserer indischen Gäste an Bord, das ich selbst nie so hinbekommen hätte. Ich vermisse die Farben und Gerüche der unterschiedlichen Länder und denke an die Menschen dort.
Vielleicht wird unsere Welt nach der Krise ein besserer Ort werden. Darin liegt meine große Hoffnung. Vielleicht werden die Menschen lernen umsichtiger mit ihren Ressourcen zu wirtschaften. Vielleicht werden die Menschen sich auf das Wichtigste besinnen und danach ihr Leben wieder mehr genießen können.
Die Welt im Wandel
Mittlerweile sind weltweit 230.000 Menschen an Covid-19 gestorben und es werden noch weitere Menschen folgen. Das Opfer, das wir bringen müssen ist, gewaltig. Es ist das höchste Gut, das wir besitzen: unsere Gesundheit, unser Leben.
Der einzige Trost in dieser wirklich schweren Zeit ist, dass die Hoffnung besteht, dass unsere Welt sich zum Positiven wandelt. Vielleicht wird die Welt nach der überstandenen Krise ein besserer Ort sein.
Vielleicht kann sich die Welt langsam von dem rasenden Tempo erholen, das ihr die Menschen auferlegt haben. Vielleicht wird unsere Wirtschaft nie mehr so schnell wachsen wie bisher und dennoch wird sie eventuell langfristig gesunden. Vielleicht wird die regionale Produktion und das Handwerk wieder wichtiger werden.
Eventuell werden die Flugpreise steigen und das Reisen in ferne Länder wird einen anderen Stellenwert erhalten. Hoffentlich bringt der Verzicht einen Nutzen für unsere Umwelt und das Klima.
Hoffentlich werden wir in Zukunft wieder mehr auf das Tierwohl achten und unsere Produktion runterschrauben. Hoffentlich werden wir nicht mehr so schnell über andere Menschen urteilen, sondern vorher überlegen, was wir sagen.
Vielleicht wird uns die Zeit Zuhause besinnen und den Fokus auf das Wesentliche richten. Vielleicht werden wir nach der Krise bessere Menschen werden und mehr aufeinander achten. Falls weniger Kriege als zuvor geführt werden würden, wäre das der größte Erfolg der Menschheit…
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