Alice im Wunderland war meine Lieblingsserie in meiner Kindheit. Die beliebte Trickfilmversion von Walt Disney erschien 1951. Im Fasching verkleidete ich mich als Alice und träumte davon einen Tag in dieser verrückten Welt zu erleben. Ich wollte dem niemals still stehenden Kaninchen mit seiner tickenden Uhr folgen, das immer zu spät kam und die Rätsel der Raupe lösen. Natürlich wollte ich auch der Grinsekatze begegnen und einen Tee mit dem verrückten Hutmacher trinken.
Der Film endete immer damit, dass die Mutter “Alice!” rief und das Mädchen wieder beim Spiel in ihrem Garten erwacht. Jedesmal wünschte ich mir die Geschichte würde noch ewig weiter gehen und ich könnte davon träumen Alice zu sein. Dem Kaninchen in seinen Bau zu folgen erschien mir durchaus nachahmenswert und spannend.
Zu gerne wollte ich die Begeisterung meinen Kindern weitergeben und zeigte ihnen die erste Folge aus Alice im Wunderland. In dieser fiel Alice in den Tunnel und somit in eine andere Welt. Dort stand sie vor dem Problem des ständigen Groß- und Kleinwerdens, da sie wahlweise Kuchen aß oder aus einer Flasche trank. Sie wollte den Schlüssel auf einem Tischchen erreichen, der die kleine Tür zu einen verzauberten Garten öffnen sollte.
Doch unsere Kinder waren komplett verängstigt und forderten mich auf den Fernseher sofort abzuschalten. Irgendwie schienen sie sich durch die Veränderungen, die Alice durchlief zu ängstigen und als Alice in ihrem See aus Tränen das Schwimmen begann war alle Hoffnung verloren. Mittlerweile kann die die Besorgnis meiner Kinder gut nachvollziehen nachdem ich das Buch von Lewis Carroll gelesen habe.
Dort geht es stellenweise furchtbar zu Gange. Ein kleines Baby wird in ein Schwein verwandelt, die Herzogin schlachtet gemeinsam mit einer wilden Köchin die Tiere in einem Haus. An anderer Stelle will die Herz-Königin ihre Gärtner köpfen lassen und mit Flamingos wird Kricket gespielt. In der damaligen Zeichentrickserie wurde vieles davon ausgeblendet und ich liebte einfach die Geschichten des verrückten Hutmachers mit seiner Teegesellschaft und der paffenden Raupe.
Übrigens gab es das Mädchen Alice Liddell wirklich und sie wuchs in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Tochter des Dekans der Christ Church University in Oxford auf. Die Geschichte von Alice im Wunderland entstand während einer Bootsfahrt auf der Themse und Alice bat Lewis Carroll die Geschichte niederzuschreiben. Lewis Carroll war ein Mathematikdozent an der selben Institution und gleichfalls ein begabter Porträtfotograf. Die enge Freundschaft zwischen Alice und ihm trug zu dieser originellen Geschichte bei.
Gestern haben wir uns Alice im Wunderland als Ballett im Nationaltheater in München angesehen und wir waren absolut begeistert. Die Bühnenbilder waren gewaltig und die Umsetzung des Größer- und Kleinwerdens durch visuelle Tricks waren perfekt inszeniert. So war das Bühnenbild einerseits sehr modern und andererseits sehr anmutig in der Zeit der viktorianischen Ära.
Das Ballett Alice im Wunderland wurde vom Choreograph Christopher Weeldon kreiert. Es ist seitdem der größte Erfolg an abendfüllenden Balletts der letzten zehn Jahre. Die Uraufführung fand 2011 im Royal Ballet in London statt. Das Orchester ist enorm, das Bühnenbild riesig und es ist laut Christopher Weeldon eine Art Musical-Ballett.
Die Geschichte von Alice im Wunderland gab dem Choreographen einen grossen kreativen Spielraum, da sie viele unterschiedliche Stile beinhaltet. Es ist ziemlich düster und es tauchen auch gruselige Figuren auf. Das grosse Orchester besteht aus einer Bandbreite aus vielen unterschiedlichen Instrumenten, die dieses Spektrum abdecken. Zudem finden sich etliche Tanzstile in dieser Ballettaufführung wieder. Unter anderem tanzt der verrückte Hutmacher einen Stepptanz, der im Ballett ansonsten nur sehr selten zu sehen ist.
Eine unserer Lieblingsszenen war, als der verrückte Hutmacher auf dem Tisch der Teegesellschaft einen Stepptanz vorführt. Die bunte Szene mit all ihrer Lebendigkeit und dem laut anschwellenden Orchester lässt die Zuschauer gebannt zurück. Ziemlich ungewöhnlich für einen Ballettabend war ebenfalls, dass einige Tänzer in den Zuschauerrängen standen und einen Blütenregen aus Papier auf die Zuschauer warfen. Dies war zauberhaft anzusehen und gab einen kleinen Einblick auf den wundervollen Blütentanz im verzauberten Garten, der später folgte.
Zum Teil waren die Szenen, wie die Schweine geschlachtet und zu Wurst verarbeitet werden ziemlich derb und unsere Kinder hätten sich sicherlich gefürchtet. Das Ballett ist ab acht Jahren, doch ich würde Kinder frühestens ab zehn Jahren mit in dieses Stück nehmen.
Für uns war dieser Abend im Nationaltheater absolut beeindruckend und das riesige Tanz-Ensamble mit Orchester war für alle Sinne berauschend. So durfte ich für einen Abend in den Träumen meiner Kindheit leben und gleichzeitig die leichtfüßigen Tänze dieser erstklassigen Künstler bewundern. Das Stück endet damit, dass Alice über jemanden fällt, dieser wiederum über einen anderen, und so weiter, und so weiter, bis alle auf dem Boden liegen… Letztendlich ist alles nur ein Kartenspiel.
Alice erwacht.
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