Wenn sich das Tor des Lebens schliesst, stellen wir uns die Frage welches Tor sich als nächstes öffnen wird. Gibt es überhaupt noch eine weitere Pforte? Was geschieht mit den geliebten Menschen, die aus unserem Leben getreten sind? Werden sie zu Schutzengeln, die uns weiterhin sehen und unser Tun verfolgen?
Diese Frage wird wohl für immer das grösste Geheimnis unserer Menschheit bleiben. Wir können zum Mond fliegen, Elektroautos bauen, uns über den gesamten Globus vernetzen, Milliarden durch Finanzgeschäfte verdienen, doch am Ende dieses Tages wird noch immer kein Mensch dieser Erde diese Frage beantworten können.
Wahrscheinlich ist das auch gut so und jeder bestimmt einen Weg für sich selbst, wie er mit dem Tod, der Trauer und dem Verlust eines geliebten Menschen zurecht kommt.
Ich schreibe diesen nachdenklichen Blog, da vor zwei Tagen unsere geliebte Omi verstorben ist. Sie hat ein gesegnetes Alter erreicht und durfte ein wirklich schönes Leben geniessen. Leider wurde sie dement und wir mussten in den letzten Jahren Stück für Stück von ihr Abschied nehmen, da wir am Ende kaum mehr mit ihr kommunizieren konnten. Dennoch war es jedesmal eine grosse Freude sie zu sehen, da sie uns noch immer erkannte oder zumindest wusste, dass wir uns sehr nahe stehen. Wenn wir zu Besuch kamen, klatschte sie in die Hände und stimmte zuweilen sogar ein Liedchen an.
Nun steht ihr Rollstuhl zur Abholung für den nächsten Menschen bereit und das Leben wird weitergehen. Dennoch trauern wir um einen geliebten Menschen, der die besondere Gabe besaß zuzuhören und zu geben.
Zuhören. Diese Wort klingt so einfach und selbstverständlich in unseren Ohren, doch leider wird zwar viel darüber gesprochen und nur wenige wissen wie man es praktiziert.
Sich Zeit nehmen, hinsetzen und einfach nur hören was der andere spricht. Wenn wir es heute schaffen jemandem wirklich zuzuhören und die laute Welt um uns herum für einen Augenblick zu vergessen, dann ist das viel.
Für heute verabschiede ich mich von einem geliebten Menschen, der sich in die Reihe anderer von mir geliebten Menschen einreihen wird. Wir vermissen Euch sehnlichst!
Hier ist ein wundervolles Gedicht, das mir aus tiefstem Herzen spricht und vielleicht auch anderen Menschen Mut macht, die um ihre Angehörigen trauern.
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)
Herbst
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen,
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
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